Wednesday, 1 June 2011

Vortrag SIETAR Regionalgruppe München


Aufschwung oder Niedergang?
Die Arabischen Golfstaaten
nach der Finanzkrise 

Andreas Hauser MBA
 12. Mai 2011


"Goodbye, Dubai", "Finanzkrise am Golf verschärft sich", "Schockwellen in Arabien" – das waren nur einige der Schlagzeilen, die im Zusammenhang mit der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise seit 2008 durch die Medien getrieben wurden. 

Dem gegenüber stehen scheinbar widersprüchliche Meldungen von ambitionerten Zukunftsprojekten: "Abu Dhabi will VW-Großaktionär werden", "Katar erhält Zuschlag für die Fußball-WM 2022", "Saudi-Arabien will höchstes Gebäude der Welt bauen".



Wie passt das zusammen? Wie sieht die wirtschaftliche Lage in den Arabischen Golfstaaten gegenwärtig aus? Welchen Einfluss haben die aktuellen politischen Veränderungen in der Region? Und welche interkulturellen Hintergründe sind gerade für deutsche Unternehmen wichtig?

Auf Basis meiner Reisen 2011 in den Arabischen Golf präsentierte ich einen interkulturellen Einblick in die betreffenden Länder und zeigte an Beispielen auf, wie die Länder Katar, Saudi-Arabien und die VAE zukünftig ihre Rolle als regionale und globale Wirtschaftsmotoren umsetzen wollen.


Wie gut ist die Arabische Welt /
der Nahe Osten bekannt?
 

Da einige Teilnehmer bereits im Vorfeld angedeutet hatten, dass sie wenig bis gar keine Erfahrung über den Kulturraum mitbringen, gestaltete ich den Einstieg spielerisch: In zwei Gruppen geteilt gab ich die Aufgabe vor, aus vorhandenen Länderpuzzleteilen den Nahen Osten zusammen zu setzen – ein durchaus nicht leichtes Unterfangen, selbst für erfahrene Hasen in der Region!



Typischerweise lassen sich einige regionale Definitionen unterscheiden, allerdings gibt es hier meist keine klare Abgrenzung und die Übergänge sind fließend:

Die Arabische Welt:
definiert durch die Sprache und damit auch teilweise durch die Ethnien: alle Länder, die Arabisch als offizielle Sprache haben

Der Nahe Osten / Middle East:
ein Kerngebiet mit Ägypten und der Arabischen Halbinsel sowie Iran; ein erweitertes Gebiet einschließlich der nordafrikanischen Länder sowie der muslimisch geprägten Afghanistan und Pakistan; manchmal ist auch die Türkei aus historischer Sicht (Osmanisches Reich) inbegriffen

Gulf Cooperation Council GCC:
die sechs Anrainerstaaten des arabisch-persischen Golfs: Kuwait, Bahrain, Katar, Vereinigte Arabische Emirate, Oman und Saudi-Arabien



Arabische Golfstaaten

Ein erster Überblick über die Golfstaaten verdeutlicht die teils gravierenden Unterschiede zwischen den Ländern, in Bezug auf die Landesgröße, die Einwohnerzahl und die wirtschaftlichen Kennziffern:


 
Quelle: CIA World Factbook


Die Länder Kuwait, Bahrain und Oman stellte ich an dem Abend nur in kurzen Ausschnitten überblicksartig dar, um einen ersten Eindruck zu geben.

Der Fokus des Abends lag auf Saudi-Arabien, den VAE und Katar, die sich gerade in den Zeiten der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise sehr unterschiedlich in ihrem Umgang mit den Auswirkungen gezeigt haben.

Diese drei Länder habe ich jeweils mit touristischen und wirtschaftlichen Werbevideos dargestellt, um eine aktuellen Eindruck von der Lage sowie den Zukunftsplänen zu zeigen.


Das Königreich Saudi-Arabien:
 
  • Das bevölkerungsreichste Land der Arabischen Halbinsel
  • 20 Millionen Saudis bei 10 Millionen Gastarbeiter
  • Unabhängigkeit 1932
  • Seitdem schnelle Modernisierung des Landes
  • Strenge Auslegung des Islam (Wahhabismus)
  • Über 8 Millionen Touristen jährlich: Pilgerreisende nach Mekka und Medina
  • Starke gesellschaftliche Trennung in Oberschicht (Königshaus Sa’ud) sowie Mittel- und Unterschicht
  • Enorme Investitionen in die Wirtschaft sowie den Ausbau der Bildungsinstitute (KAUST) und Infrastruktur
  • Geplant: Mile-Tower in Jeddah (1.609 m Höhe)


Das Emirat Abu Dhabi (VAE):

  • Armes Fischerdorf am Golf: nach Öfunden rasante Entwicklung und Modernisierung
  • Hauptstadt und reichstes Emirat der VAE
  • Unabhängigkeit der VAE 1971 (40-Jahr-Feier am 2.12.11)
  • Geschätzte 100.000 Einheimische und 900.000 Gastarbeiter
  • Sitz des teuersten Hotels der Welt (Emirates Palace), des größten Staatsfonds der Welt (ca. 500 Mrd. US$) und der am schnellsten wachsenden Fluglinie (Etihad Airways)
  • Enorme Zukunftsprojekte: mehrere neue Stadtviertel, Finanzzentrum (Sowwah Island), kulturelle Attraktionen (Guggenheim, Louvre)
  • Sehr große Investitionen in den Wirtschafts- und Produktionsstandort


Der Staat Katar:

  • Halbinsel im Arabischen Golf
  • Reichstes Land der Welt nach pro-Kopf-Einkommen
  • Rund 1 Mio. Einwohner in der Hauptstadt Doha
  • Rasante Bauentwicklung
  • Mega-Infrastrukturprojekte (Brücken, Inseln, Bahn)
  • Ausrichter der Fußball-WM 2022 mit geschätzten 80 Mrd. US$ Investitionen


Thesen zur aktuellen Lage

Aufgrund der gegenwärtigen Lage und der Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie den aktuellen politischen Bewegungen in den einzelnen Ländern stelle ich vier Thesen vor:


These 1:

Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Arabischen Golfstaaten getroffen und ihr Wirtschaftswachstum gebremst – aber je nach Land nicht aufgehalten.

Auch wenn in Dubai die Börse sich von dem Abstieg noch nicht erholt hat, stehen die Zeichen z. B. in Katar schon wieder auf Aufwind – was nicht zuletzt durch die Erwartungen an die Fußball-WM getragen wird. Allein die Tatsache, dass ein kleines, unbedeutendes Land wie Katar in der Lage ist, solch ein weltweites Event an Land zu ziehen, zeugt von dem wirtschaftlichen Selbstbewusstsein der Länder am Golf.

Quelle: bloomberg.com


These 2:

Schwankungen beim Wirtschaftswachstum sind in den Arabischen Golfstaaten nichts Außergewöhnliches – trotzdem bleiben die Wachstumsraten hoch.

Die Schwankungen im Wirtschaftswachstum der vergangenen zwei Jahre waren zwar hoch und haben auch bis dato solide Firmen in Bedrängnis gebracht; allerdings zeigt das Beispiel Saudi-Arabien, dass solch ein Auf und Ab schon in den vergangenen Jahren normal war. Trotz der Krise haben sich die Wachstumsraten schon wieder auf hohem Niveau stabilisiert.

Quelle: CIA World Factbook


These 3:

Die gegenwärtigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen aufgrund des schnellen Wachstum werden genau als solche wahrgenommen: als Herausforderungen.

Natürlich gibt es Bereiche, gerade auf gesellschaftlicher Ebene, in denen die Entwicklung einfach zu schnell ging: innerhalb von vier Jahrzehnten vom Kamel auf den X6 umzusteigen ist mit Problemen behaftet. Einige Themen wie z. B. Pressefreiheit oder Frauenrechte werden nur zögerlich umgesetzt; andere hingegen, zu denen auch die nachhaltige Energien gehören, werden mit großen Visionen und Risikobereitschaft angegangen (z. B. Masdar in Abu Dhabi, www.masdar.ae).


 
Quellen: verschiedene Indexe


These 4:

Die gegenwärtigen sozialen und politischen Veränderungen werden den Prozess einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung nicht vereinfachen, aber langfristig weiter vorantreiben.

Die Herrscher und die Einwohner dieser Länder sind sich wohl bewusst, dass sich ihre Entwicklung auf die Ölreserven sowie die gesellschaftlichen Gegebenheiten vor Ort stützt. Die Öffnung im wirtschaftlichen Bereich bringt auch Risiken für die Verhältnisse mit sich: in Dubai bildet die einheimische Bevölkerung gerade mal 5% der Einwohnerzahl; und im konservativen Saudi-Arabien weckt der Zugang zu westlichen Medien gerade unter den jungen Menschen den Wunsch nach Veränderung.

Gerade der Druck von unten und der Wunsch nach Jobs und angemessenem Einkommen ist es, was die gegenwärtigen politischen Bewegungen auch in den Golfstaaten ausmacht; und nicht zuletzt um ihre Macht zu erhalten, wird die herrschende Schicht alles tun, um die Zufriedenheit ihrer Landsleute nachhaltig zu sichern.


 
Quellen: uaeinteract, Gulf News



Für weiteren Kontakt zu den aktuellen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Ereignissen in der Arabischen Welt stehe ich gerne zur Verfügung. 

Und danke für die aktive Teilnahme und die lebhaften Diskussionen! :-)





Andreas Hauser
Management Consultant | Intercultural Trainer | University Lecturer

www.developingculture.com


www.sietar-deutschland.de

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