Luxus oder Notwendigkeit – wie viel Ethik brauchen interkulturelle Trainer?
Prof. Dr. Juliana Roth
LMU München
Vortrag am 20. Mai 2010
Spannend und lebendig – dies war der Tenor des Abends mit Juliana Roth, die Einblicke in ein neues und schwieriges Thema für Interkulturalisten gegeben hat und mit ihren Impulsen viele zum Nachdenken angeregt hat.
Den Text zum Vortrag, den Frau Roth selbst verfasst und verteilt hat, wird im ersten Teil der Notizen wiedergegeben. Im zweiten Teil werden die Themen des Abends aufgegriffen, die Gegenstand von Input und Diskussionen waren.
I. Einführung (Juliana Roth)
„Interkulturelle Trainings sind heute keine neue und spannende Angelegenheit mehr wie vor 20 Jahren. Das Berufsfeld ist in die Jahre gekommen, ist gereift und steht heute vor neuen Herausforderungen.
Die schier endlosen Grenzüberschreitungen unserer Zeit haben alles, was mit Kultur zu tun hat, enorm verändert. Wissenschaft, Politik und Alltag haben dazu sehr unterschiedliche, auch widersprüchliche Positionen bezogen. Für den interkulturellen Trainer bedeutet dies eine komplette Veränderung des beruflichen Umfeldes.
Wie angemessen reagieren?
Die Frage verweist auf den Bereich der Ethik. Das ist ein neues und ziemlich schwieriges Thema für Interkulturalisten, besonders für jene, die sich im Bereich des praktischen kulturellen Lernens betätigen. Gleichzeitig ist die Ansprache dieses Themas aber ein Beleg für professionelle Reife und hohe Verantwortung.
In dem Gespräch möchte ich auf einige ethische Aspekte der interkulturellen Bildungsarbeit eingehen und Standpunkte diskutieren. Ich bin mir dessen bewusst, dass die Berücksichtigung ethischer Fragestellungen für interkulturelle Trainer eine besondere Herausforderung darstellt.
Soll es ethische Standards geben? Angesichts der Tatsache, dass es für die Ausübung des Trainerberufes keine festgelegten beruflichen Kriterien und Anforderungen gibt, erscheint eine solche Forderung als nachrangig. Ethik ist zwar ein Modethema und ihre Berücksichtigung erscheint dem „gesunden Menschenverstand“ als selbstverständlich, doch schreckt ihre explizite Behandlung die Kunden und Käufer interkultureller Trainings nicht ab? Sicher kann man dieses unbequeme Thema links liegen lassen, doch damit schadet man dem Image interkultureller Trainings, die in vielen Kreisen ohnehin als Kultur-light-Veranstaltungen gesehen werden.
Meine Überlegungen zum Thema stelle ich daher unter die Frage „Luxus oder Notwendigkeit – wie viel Ethik brauchen interkulturelle Trainer?“.“
Die schier endlosen Grenzüberschreitungen unserer Zeit haben alles, was mit Kultur zu tun hat, enorm verändert. Wissenschaft, Politik und Alltag haben dazu sehr unterschiedliche, auch widersprüchliche Positionen bezogen. Für den interkulturellen Trainer bedeutet dies eine komplette Veränderung des beruflichen Umfeldes.
Wie angemessen reagieren?
Die Frage verweist auf den Bereich der Ethik. Das ist ein neues und ziemlich schwieriges Thema für Interkulturalisten, besonders für jene, die sich im Bereich des praktischen kulturellen Lernens betätigen. Gleichzeitig ist die Ansprache dieses Themas aber ein Beleg für professionelle Reife und hohe Verantwortung.
In dem Gespräch möchte ich auf einige ethische Aspekte der interkulturellen Bildungsarbeit eingehen und Standpunkte diskutieren. Ich bin mir dessen bewusst, dass die Berücksichtigung ethischer Fragestellungen für interkulturelle Trainer eine besondere Herausforderung darstellt.
Soll es ethische Standards geben? Angesichts der Tatsache, dass es für die Ausübung des Trainerberufes keine festgelegten beruflichen Kriterien und Anforderungen gibt, erscheint eine solche Forderung als nachrangig. Ethik ist zwar ein Modethema und ihre Berücksichtigung erscheint dem „gesunden Menschenverstand“ als selbstverständlich, doch schreckt ihre explizite Behandlung die Kunden und Käufer interkultureller Trainings nicht ab? Sicher kann man dieses unbequeme Thema links liegen lassen, doch damit schadet man dem Image interkultureller Trainings, die in vielen Kreisen ohnehin als Kultur-light-Veranstaltungen gesehen werden.
Meine Überlegungen zum Thema stelle ich daher unter die Frage „Luxus oder Notwendigkeit – wie viel Ethik brauchen interkulturelle Trainer?“.“
II. Diskussion (Andreas Hauser)
Grundverständnis
- „Dem Mensch, mit dem man arbeitet, keinen Schaden zufügen.“
Das ist das Prinzip, as einem ethischen Verständnis aus kulturanthropologischer oder ethnologischer Sicht zugrunde liegt. - Der interkulturelle Trainer ist in einer „Sandwich-Position“ der Verantwortlichkeit, sowohl gegenüber dem Auftraggeber (Personalabteilung) als auch dem Trainee (Teilnehmer). Was hat höhere Priorität? Postuliert wird eine Loyalität gegenüber dem Trainee, dem Schutz gegeben werden soll (= kein Schaden zufügen).
- Vor einigen Jahrzehnten gab eine klare Abgrenzung zwischen Nationen, heute ist eine klare Positionierung kaum mehr erkennbar.
- Durch Migration / Integration / Globalisierung verschwimmen klare Kultur-Grenzen, gerade in einer multikulturellen Gesellschaft.
- Die Grundfrage ist: „Was ist richtig, was ist falsch?“ – doch von der relativistischen Interkulturalität ist das nur schwer zu beantworten.
- Macht stellt einen großen Einflussfaktor dar, und im interkulturellen Bereich tritt Macht fast immer assymmetrisch auf: Der Zwang zur Veränderung kommt aus der (Ohn-)Macht, dass man im Ausland automatisch in der schwächeren Position der Minorität ist.
Anlass für ethische Fragestellungen
- Interkulturelles Lernen ist ein Prozess persönlicher Transformation => der Trainer trägt die Verantwortung für den Veränderungsprozess!
- Interkulturelles Lernen ist eine Hinterfragung des eigenen kulturellen Seins => der Trainer steht in der Verpflichtung, sich angemessen auf den Prozess nach der Frage „Wer bin ich?“ vorzubereiten
- Oftmals erwarten Menschen im Training gar nicht, dass etwas mit ihnen passiert – doch sie werden als Person hinterfragt!
- Interkulturelles Lernen ist nicht angenehm, sondern bringt die Teilnehmer in einen Zustand von Angst und Unsicherheit => das gezielte Herausholen aus der Komfortzone erfordert professionellen Umgang!
Unterschiedliche Ethik in unterschiedlichen Kontexten des interkulturellen Bedarfs
- Beim Auslandsaufenthalt sind Hypothesen und Prognosen hilfreich => verbesserte Wahrnehmung der kulturellen Differenz außerhalb der eigenen Gesellschaft
- Bei multikulturellen Teams, Schulklassen oder Lerngruppen sind Hypothesen und Prognosen sinnlos => Schwarz-Weiß-Trennung bietet hier keine adäquate Struktur zum Verstehen
Beispiele für ethische Fragestellungen
- Wie viel Theorie braucht ein interkultureller Trainer?
Die interkulturelle Theorie basiert immer noch auf dem Standard der 50-er-Jahre mit klarer Nationentrennung => nicht mehr angebracht in einer globalisierten Welt - Wie gefährlich sind Stereotypen?
Generalisierungen und Vereinfachung können ein sinnvolles Mittel in interkulturellen Trainings sein, wenn mit ihnen verantwortlich umgegangen wird und die Kontrastierung hinterfragt und wiederaufgehoben werden - Welche Verantwortung besteht für die Nutzung interkulturellen Wissens?
Als Beispiel wurden Dolmetscher genannt, die zum einen neutral sein sollen und Wort für Wort übersetzen; allerdings haben sie auch das interkulturelle Wissen, um manche Kommunikation abzumildern bzw. Fehler in der Kommunikation zu vermeiden - Wie lehrt man Kultur, wie lehrt man Komplexität? Als integrale Bestandteile einer Definition von interkulturellem Training wurden genannt:a) Erwachsenen-pädagogische Lernmaßnahme; und b) Ziel ist die Veränderung der Persönlichkeit des Trainees
- Welcher Umgang wird mit Macht und Hierarchien gepflegt?
Herausforderungen bestehen z. B. wenn mehrere Hierarchieränge in einer Trainingsmaßnahme versammelt sind oder die Machtverhältnisse verschiedener beteiligter Firmen assymmetrisch verteilt sind
Weiterführende Links und Artikel zum Thema:
Juliana Roth, Interkulturelle Lernmaßnahmen heute: Neue Realitäten – neue Konzepte. In: Klaus Götz (Hg.), Interkulturelles Lernen / Interkulturelles Training. München: R. Hampp 62006, 115-134.
Weblink zum Download
Juliana Roth, Interkulturelle Lernmaßnahmen heute: Neue Realitäten – neue Konzepte. In: Klaus Götz (Hg.), Interkulturelles Lernen / Interkulturelles Training. München: R. Hampp 62006, 115-134.
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American Anthropological Association: Code of Ethics
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Michael Paige, Instrumentation in Intercultural Training. In D. Landis, J.M. Bennett, and M.J. Bennett, eds. Handbook of Intercultural Training. 3rd ed. Thousand Oaks, CA: Sage Publications, 2004
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Juliana Roth, Alexander Scheitza: Die Kunst des Brückenbauens. Standpunkte zur Vermittlung interkultureller Kompetenz. In: SIETAR Journal für Interkulturelle Perspektiven Mondial, Ausgabe 1/2010, 18-23.
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Michael Paige, Instrumentation in Intercultural Training. In D. Landis, J.M. Bennett, and M.J. Bennett, eds. Handbook of Intercultural Training. 3rd ed. Thousand Oaks, CA: Sage Publications, 2004
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Juliana Roth, Alexander Scheitza: Die Kunst des Brückenbauens. Standpunkte zur Vermittlung interkultureller Kompetenz. In: SIETAR Journal für Interkulturelle Perspektiven Mondial, Ausgabe 1/2010, 18-23.
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Im Namen der SIETAR Regionalgruppe ein ganz herzliches Dankeschön an Juliana Roth für ein spannendes Thema und viele Gedankenanstöße für die tägliche Arbeit!
Und für alle Interessierten, hier der direkte Link zur SIETAR Deutschland:
Weblink SIETAR Deutschland e.V.
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Andreas Hauser
Management Consultant & Intercultural Trainer
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