Wie global ist Ihr Unternehmen wirklich?
Deutsche Produkte sind in der Welt unter dem Qualitätslabel "Made in Germany" bekannt und viele deutsche Marken generieren den Großteil ihres Umsatzes fern des Heimatlandes. Der Anspruch, ein Global Player in ihrem jeweiligen Marktsegment zu sein und sich international aufzustellen gehört zum Selbstverständnis vieler mittlerer und großer Firmen. Doch wie weit ist es wirklich her mit einem internationalen Denken in den Management- und Führungsebenen deutscher Unternehmen?
Gerade wenn es um internationale Zusammenarbeit geht, variieren die Modelle, nach denen sich Firmen mit ihren jeweiligen Partnern, Tochterunternehmen oder Niederlassungen ausrichten. Als Diskussionsgrundlage helfen dabei vier Internationalisierungsstrategien, die Haltung und Verhaltensweisen in der Interaktionen darstellen.
- Polyzentrische Strategie
Das deutsche (Stamm-)Haus und die ausländischen Tochterunternehmen arbeiten gut und mit wenig Überschneidung fast unabhängig nebeneinander her - Ethnozentrische Strategie
Das Umfeld in den ausländischen Niederlassungen ist eindeutig deutsch geprägt, es wird nach Vorgaben aus dem (Stamm-)Haus gearbeitet - Synergetische Strategie
Die ausländischen Einflüsse werden zunehmend auch in Deutschland eingebunden und internationale Managementteams aufgebaut - Geozentrische Strategie
Im internationalen Umfeld bildet sich eine komplett neue Firmenkultur, die universell auf der Welt Anwendung findet
Im Modell stellt der linke Kreis die Firmenkultur des Heimatlandes dar (das zur besseren Erläuterung hier das deutsche Stammhaus sein soll), dessen Organisationskultur grau hinterlegt ist; der rechte Kreis
repräsentiert den internationalen Partner, dessen natürliche lokale Gegebenheiten in weiß
unterlegt sind.
Unterschiedliche Ansätze der Internationalisierung
Oft folgen die Internationalisierungsstrategien einem zeitlichen Abfolgeprozess. Die polyzentrische Strategie
ist typisches Merkmal für erste Internationalisierungsversuche, z. B.
über lokale Vertriebspartner und Netze. Diese ist meist gefolgt von der
ethnozentrischen Strategie, in der lokale Niederlassungen (z. B. Produktionsstätten)
aufgebaut werden, die von Deutschland aus kontrolliert und geführt
werden. Einen Schritt weiter geht die synergetische Strategie,
welche auf die Notwendigkeit zunehmender Internationalisierung mit
Einbeziehung globaler Marktvertreter auch in der Zentrale reagiert. Die geozentrische
Strategie wiederum kreiert einen globalen Managementstil, der
unabhängig von den jeweiligen Verhältnissen vor Ort weltweit
implementiert wird.
Polyzentrische Strategie
Polyzentrische Strategie
Wird häufig bei funktionaler Internationalisierung
angewendet: es herrscht ein hoher Grad an Unabhängigkeit vom deutschen
Stammhaus; die Unternehmensführung des Partners passt sich den lokalen
Gegebenheiten an; die ausländische Firmenkultur bleibt erhalten; es findet kein
Austausch an Mitarbeitern und an Know-how statt.
Ethnozentrische
Strategie
In der Vergangenheit typischerweise bei
institutionellen Internationalisierungen zu finden, aber auch heute noch weit
verbreitete Firmenphilosophie: zentrale Entscheidungen werden im Heimatland
getroffen; die Firmenkultur und Unternehmensführung des ausländischen Partners
sind stark deutsch geprägt; ein deutscher Expatriate steht im Ausland in leitender
Funktion; ausländisches Know-how oder Mitarbeiter werden kaum in das deutsche
Denken integriert.
Synergetische
Strategie
Vor der Hintergrund zunehmender
Globalisierung von deutschen Konzernen verstärkt angestrebtes Modell:
grundsätzliche Ausrichtung des ausländischen Partners nach Leitlinien der heimischen
Firmenkultur bei gleichzeitig gewährleistetem Grad an Unabhängigkeit; Entscheidungen
werden in gegenseitiger Abstimmung mir Rücksicht auf lokale Gegebenheiten
getroffen; Einheimische in leitenden Entscheiderfunktionen, einzelne Positionen
im Führungs- und Fachbereich sind von deutschen Expatriates übernommen; ausländische
Einflüsse werden im Heimatland als positiv und gewinnbringend betrachtet;
Austausch von Mitarbeitern und Aufbau von internationalen Managementteams wird
gefördert.
Geozentrische
Strategie
Im internationalen Umfeld bildet sich
eine neue Generation von Mitarbeitern, die universell auf der Welt zum Einsatz
kommen: Stammhaus und ausländische Gesellschaft werden als integrative Teile
eines weltweiten Unternehmensnetzes betrachtet; lokale Gegebenheiten werden als
gegeben akzeptiert; Produkte und Prozesse werden international anwendbar gestaltet;
Fach- und Führungskräfte definieren sich zunehmend nicht mehr über
Nationalkulturen, sondern über Funktionalität im internationalen Umfeld; durch optimale
Allokation von Ressourcen wird die globale Effizienz des Unternehmens maximiert.
Und wie sieht nun die Realität bei deutschen Konzernen und Mittelständlern aus?
Nach meiner Erfahrung bedienen sich gerade
die großen deutschen Unternehmen der zweiten Strategie: Sie setzen auf die in
Deutschland erprobte (Organisations-)Kultur als Erfolgsrezept für die Führung
und das Management ausländischer Vertretungen oder Tochterunternehmen. Dabei
wird vor dem Zeichen zunehmender Globalisierung außer Acht gelassen, dass ein
einheimisches Gesicht oft zu höherer Akzeptanz in den Märkten führt und das
flexible Eingehen auf lokale Kundenanforderungen den Ausschlag für
wirtschaftlichen Erfolg geben kann.
In Deutschland setzt sich nur langsam ein
nachhaltiges internationales Bewusstsein in Führungsfragen durch. Obwohl mittlerweile
der Anteil ausländischer Vorstände in den deutschen Dax-Unternehmen auf über
ein Viertel gestiegen ist, kommen diese oft aus Europa, in einigen Fällen aus den USA; nur
in seltenen Fällen sind Vertreter der asiatischen Zukunftsmärkte zu finden.
Doch auch die heimischen Unternehmen beginnen zu verstehen, dass bei steigender
internationaler Konkurrenz das Wissen und das Verständnis für die Märkte die
Garanten wirtschaftlichen Erfolgs sind. Daher wird die Erfahrung und die Expertise
ausländischer Fach- und Führungskräfte zunehmend auch im Inland strategisch eingesetzt,
was sich den erhöhten Zahlen von Impatriates oder Inbounds nach Deutschland
niederschlägt.
Praktische Tipps:
Machen Sie sich
bewusst, welche Inter-nationalisierungsstrategie Sie und Ihr Unternehmen
verfolgen wollen und können; nutzen Sie aktiv das Wissen und die Erfahrung
internationaler Kollegen, sowohl in den ausländischen als auch in den
Heimatmärkten; und bereiten Sie sich und andere adäquat auf die
grenzüberschreitende Zusammenarbeit vor!
Andreas Hauser
Consultant ◦ Trainer ◦ Coach
International Management &
Leadership
www.developingculture.com
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